Liebe Anna, wie hat das Aufwachsen in der Hotellerie und später die Zeit an den Tourismusschulen Ihr Leben und Ihren Charakter geprägt?
Mit neun Jahren bin ich das erste Mal umgezogen – aus dem Familienhotel in den Tiroler Bergen in ein Wellnesshotel in der steirischen Thermenregion. Für die Menschen, die mich damals nicht kannten, war ich das mysteriöse Kind, das im Hotel lebt.
Mit 14 zog ich erneut um, dieses Mal nach Bad Gleichenberg. Dort war ich endlich unter Gleichaltrigen, die wussten, wie es sich anfühlt, ein „Gastrokind“ zu sein. Die fünf Jahre an der Tourismusschule und im Internat in Bad Gleichenberg haben mich geprägt wie kaum eine andere Zeit in meinem Leben. Ich wäre heute nicht die Person, die ich bin, ohne diese Erfahrungen. Sie haben mein Leben bereichert, mir unzählige wertvolle Erinnerungen geschenkt und Freundschaften beschert, die bis heute Bestand haben. In Bad Gleichenberg kommst du als Kind an und verlässt die Schule als junger Erwachsener.
Wie sind Sie zu dem geworden, was Sie heute sind?
Mein Lebensmotto lautet: » Mach was. Egal was, Hauptsache du machst was! «
Dieser Leitsatz begleitet mich seit meiner Schulzeit in Gleichenberg.
Nach der Matura begann für mich eine spannende Reise: Zunächst verbrachte ich neun Monate in Amerika, sammelte wertvolle Erfahrungen und arbeitete anschließend im Sommer am Attersee im Service. Mit 20 Jahren erfüllte ich mir einen lang gehegten Traum und begann meine Schauspielausbildung in Wien, die ich in drei Jahren erfolgreich abschloss. Während der Sommermonate war ich weiterhin am Attersee tätig, um mein Studium zu finanzieren. Nach der Schauspielschule ging es von Casting zu Casting und Filmdreh zu Filmdreh. Parallel dazu arbeitete ich in der Hotellerie und absolvierte eine Ausbildung zur Wedding Plannerin. Für die Schauspielerei lernte ich reiten und machte den großen A-Führerschein (Motorrad).
Mit 25 Jahren entdeckte ich meine Leidenschaft für Medienarbeit bei einem Sommerpraktikum im Landesstudio Oberösterreich, wo ich erste Erfahrungen im Radio und Fernsehen sammelte. Danach führte mich mein Weg in ein völlig neues Umfeld: Ich arbeitete einen Monat lang als Security bei Konzerten, bevor ich im Herbst mein Bachelorstudium an der FH Salzburg begann. In drei Jahren MultiMediaArt mit Schwerpunkt Film konnte ich meine kreative Ader weiterentwickeln.
Nach meinem Studium zog es mich nach Berlin, wo ich bei namhaften Produktionsfirmen wie Kordes & Kordes Film („Schule der magischen Tiere“) und Barefoot Film Productions (Til Schweiger) im Produktionsdepartment tätig war. Meine größte Herausforderung bis dahin war die Mitarbeit bei der Netflix-Produktion „Die Kaiserin“, wo ich im Regiedepartment für über 1000 Komparsen verantwortlich war. Danach führte mich mein Weg nach London, wo ich als Regieassistentin an einem Filmprojekt arbeitete. Kurz nach meinem 30. Geburtstag begann ich in Norddeutschland als Regisseurin bei Take 25 Pictures und arbeitete am Film „BROKE. ALONE.“. Jedes Jahr nehme ich mir bewusst Zeit, um mindestens ein großes Projekt zu verwirklichen – eine kleine Tradition, die mich immer wieder aufs Neue motiviert und inspiriert.
Wie kam es zur Entstehung dieses Films? Was war die Ausgangsidee oder Inspiration?
Die Entstehung dieses Films begann im Jahr 2020, mitten in der Pandemie. Trotz der schwierigen Umstände war klar, dass ein Film produziert werden musste. Das Team der Produktionsfirma Take 25 Pictures setzte sich zusammen und entwickelte ein Drehbuch, das unter den damaligen Bedingungen – von zu Hause aus und während des Lockdowns – realisierbar war. Nach zahlreichen Herausforderungen, darunter Drehverschiebungen, ein Regiewechsel und die strengen Corona-Auflagen, stieß ich zwei Jahre später zum Projekt. Der Produzent fragte mich an, ob ich die Regie übernehmen würde. Als ich das fertige Drehbuch las, war ich sofort begeistert. Die mutige und unkonventionelle Hauptfigur hat mich auf Anhieb inspiriert. Besonders spannend war für mich auch, dass es sich um eine Komödie handelt – die absolute Königsklasse in der Regieführung. Ursprünglich war geplant, den gesamten Film als Zoom-Meeting zu inszenieren. Doch mit der Zeit wurden die Corona-Beschränkungen gelockert, ich kam als Hauptdarstellerin ins Team, und plötzlich entwickelte sich das Projekt zu einem richtigen Kinofilm. (lacht)
Welche Herausforderungen sind während der Produktion aufgetreten? Gab es unvorhergesehene Schwierigkeiten?
Corona – die weltweite Pandemie. Alle anderen Herausforderungen, die normalerweise bei einem Film auftreten, wirken dagegen fast schon alltäglich. (lacht) Mit den ständig wechselnden Regeln und Auflagen mussten wir uns jeden Tag neu organisieren. Aber das war ja nicht anders als in der Hotellerie und Gastronomie. Viele Menschen denken, Film sei eine Spielwiese für ewige Kinder. Aber die Realität sieht anders aus: Film ist ein knallhartes Business! Einen Dreh kann man am ehesten mit einem Festival vergleichen. Du brauchst ein Team, das hochgradig organisiert ist, reibungslos kommuniziert, immer eine Lösung parat hat und bereit ist, hart und leidenschaftlich zu arbeiten.
Manchmal können unvorhergesehene Schwierigkeiten sogar Vorteile haben. Das sind die Momente, in denen du deine Planung loslassen musst und mit dem arbeiten kannst, was gerade da ist. Und genau dann, in dieser Improvisation, kann etwas Magisches entstehen.
Wie sieht ein typischer Drehtag bei diesem Film aus? Gab es besondere Rituale oder spezielle Abläufe, die sich im Verlauf der Dreharbeiten etabliert haben?
Ein typischer Drehtag bei diesem Film hatte seine ganz eigene Dynamik. Ich sage immer scherzhaft: Wenn ich als Letzte komme und als Erste gehe, dann weißt du, dass du ein top organisiertes Team hast. (lacht)
Gemeinsames Frühstück und ein Feierabendbier gehörten bei uns zur Tagesroutine. Diese einfachen Rituale waren essenziell für die Teamstimmung und die Kommunikation. Beim Frühstück wurden Fragen geklärt, Szenen noch einmal durchgesprochen und Unsicherheiten ausgeräumt.
Die Produktion war zu 90 % ein Studiodreh. Die gesamte Wohnung von Sarah, der Hauptfigur, wurde in einem riesigen Tanzsaal eines alten Gasthauses aufgebaut. Es war eine Art All-in-One-Produktionsstätte: Im Erdgeschoss befanden sich das Studio, das Produktionsbüro und das Techniklager, während ein Teil der Crew in den Gästezimmern des Hauses übernachtete.
Als Regisseurin und Producerin war ich nicht nur für die künstlerische Leitung zuständig, sondern auch nahbar und immer ansprechbar für das Team. Gemeinsam mit dem Produzenten habe ich die letzten Entscheidungen getroffen und die Verantwortung für das gesamte Projekt getragen. Jeden Tag gab es Vor- und Nachbesprechungen mit Nora, in denen wir analysierten: Was hat heute gut funktioniert? Was nicht? Was können wir morgen besser machen? So waren wir jeden Tag optimal vorbereitet auf die nächsten Herausforderungen.
Was war der herausforderndste Moment während des Drehs? Gab es eine Szene oder ein Aspekt der Produktion, der besonders schwierig war?
Für mich waren die ersten drei Minuten des Films eine große Herausforderung. Für alle, die den Film nicht gesehen haben: Ein nacktes Stuntpärchen wird von der wütenden Hauptdarstellerin mit einer scharf geladenen Paintballwaffe farbenfroh aus der Wohnung gejagt. In dieser Szene kam alles zusammen: Nacktheit, Stunts, der Einsatz einer Schusswaffe (auch wenn es “nur” eine Paintballwaffe war, mussten zahlreiche Auflagen und Sicherheitsvorschriften berücksichtigt werden), die Kontinuität im Setdesign (vor allem bei den Farben, da alles nur einmal scharf gedreht werden konnte), Emotionen, Tempo, Text und Sicherheitsvorschriften.
Die gesamte Szene, die im fertigen Film gerade einmal drei Minuten dauert, war enorm aufwendig. Sie wurde zwei Wochen lang intensiv vorbereitet, drei Tage mit dem Stuntpärchen, der Hauptdarstellerin und der gesamten Crew geprobt und schließlich an zwei Drehtagen an drei verschiedenen Locations umgesetzt.
Die Paintballwaffe wurde extra für unseren Dreh so modifiziert, dass die Schüsse auf nackter Haut zwar unangenehm, aber nicht schmerzhaft waren. Damit die Hauptdarstellerin perfekt vorbereitet war, hatte sie zwei Wochen vor dem Dreh jeden zweiten Tag ein intensives Paintball-Training. Auch die Masken- und Kostümbildnerinnen mussten sich auf die Besonderheiten der Nacktheit einstellen, um alle Details perfekt in Szene zu setzen. Es war eine der anspruchsvollsten und aufregendsten Szenen des gesamten Films.
Wie gehen Sie mit den emotional intensiven Szenen um? Gibt es bestimmte Techniken oder Herangehensweisen, die Ihnen helfen, die Stimmung auf dem Set zu steuern?
Bei BROKE. ALONE. standen zwei emotional tiefgehende Themen im Vordergrund, die intensiv mit dem Team und dem Cast besprochen werden mussten: „Echte Emotionen über Videochats transportieren“ und „Natürliche Nacktheit“.
Nora und ich haben ausführlich über das Thema Nacktheit im Film gesprochen und waren uns in der Inszenierung einig: Sie sollte natürlich, ästhetisch und selbstverständlich wirken. Organisatorisch war es entscheidend, dass wir einen Intimacy Coach am Set hatten und Nora stets ein *Closed Set* anbieten konnte. Das bedeutet, dass die Anzahl der anwesenden Personen auf das absolut notwendige Minimum reduziert wird (Kamera, Ton, Regie). Diese Regel galt nicht nur am Set, sondern auch vor den Bildschirmen – dort waren lediglich Continuity, Maske und Kostüm vertreten.
Ein großer Teil des Films spielt sich über Videochats ab. Mir war es wichtig, dass unsere SchauspielerInnen authentisch miteinander interagieren und nicht nur mit einem Greenscreen kommunizieren. Dank unserer Technik konnten wir das hervorragend umsetzen. Während Nora in Studio A (Sarahs Wohnung) saß, befand sich ihr Anspielpartner vor dem Laptop in Studio B (Wohnung des Anrufers). So konnten beide in Echtzeit miteinander spielen, und wir konnten alles in bester Qualität aufnehmen.
Gab es während der Kinotour Momente, in denen Ihnen klar wurde, welche Wirkung Ihr Film auf das Publikum hat?
Eine der emotionalsten Szenen des Films war der Moment, in dem sich die Hauptfigur fallen lässt und einfach nur tanzt – ganz in ihrem eigenen Rhythmus. Mit berührender Musik und romantischem Gegenlicht schuf das Setting eine magische Atmosphäre, die das gesamte Team bewegte. Selbst der Produzent und Drehbuchautor hatten Tränen in den Augen, und nach dem “Danke” am Set herrschte für einen Moment ehrfürchtige Stille. Diese Magie bleibt unvergessen.
Lustige Anekdoten gab es ebenfalls: Eine Paintballkugel landete bei einem Stuntman dort, wo sie nicht landen sollte. Der Moment war zwar schmerzhaft für ihn, aber der Take war so authentisch und emotional, dass er in den Film aufgenommen wurde. Besonders stolz ist das Team darauf, wie der Film Menschen gleichzeitig zum Lachen und Nachdenken bringt. Während einer zweiwöchigen Kinotour durch Deutschland und Österreich wurde dem Team erst wirklich bewusst, welche emotionale Kraft dieser Film hat.
Was sind Ihre nächsten Projekte oder Visionen für die Zukunft?
Das nächste Projekt wird nächstes Jahr gedreht. Komödie mit Herz 😉
Mir ist wichtig, Menschen zusammen zubringe und etwas zu erschaffen. Ich bin selbst in einer Anderswelt groß geworden – das möchte ich weiter geben. Eine Marke aufzubauen mit Filmen, die dein Herz füllen und die Welt zu einer Schöneren machen. Das ist meine Vision für die Zukunft.
Danke für das Interview!