In die Zukunft schauen mit ……..Eveline Wild und Stefan Eder von Der Wilde Eder
Wir, die Tourismusschulen Gleichenberg, wollen unsere SchülerInnen und Studierenden dazu ermutigen, ihre Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen und diese nach ihren eigenen Wünschen zu gestalten und zu verbessern. Denn die Fähigkeit dies zu tun, ist das wertvollste Kapital, das jede junge Generation besitzt.
In unserer Serie “In die Zukunft schauen mit…” laden wir Visionäre, Vorbilder und Keyplayers von heute ein, uns einen Einblick in ihre persönliche Vorstellung unserer Zukunft zu geben.
In der aktuellen Ausgabe erzählen uns Eveline Wild und Stefan Eder von Der Wilde Eder etwas über ihre Zukunftsvisionen.
- Liebe Eveline, lieber Stefan, was bedeutet es ein zukunftsorientiertes Unternehmen zu führen? Was gehört da für euch dazu?
Eveline Wild: Um zukünftig stark zu sein, ist es wichtig unsere bestehenden Werte nicht zu vergessen – denn wir sind kein High-Tech-Start-up, das die Welt neu erfinden will. Unser Ursprung liegt in einem uralten Gewerbe mit dem man viel Positives verbindet – Gemütlichkeit, es sich gutgehen lassen, Beständigkeit.
Insofern sollte man nicht vergessen, dass wir alle Menschen sind und dass es einen Mehrwert hat, wenn man von eine:r echte:n Rezeptionist:in eingecheckt wird anstatt eines Roboters. Man sollte offen in die Zukunft blicken und versuchen gute Ideen zu entwickeln. Selbst kreativ zu sein ist ein riesiges Thema für uns – wenn man etwas abschaut, ist man nur der erste, der kopiert. Insofern sollte man sich selbst Ideen einfallen lassen aber dabei die alten, beständigen Werte nicht in Vergessenheit geraten lassen.
- Unsere Welt wird immer komplexer und kaum jemand schaut noch uneingeschränkt positiv in die Zukunft. Wo seht ihr die größten Chancen und Herausforderungen für den Tourismus und für unsere Gesellschaft in den nächsten 20 Jahren?
Eveline Wild: Eine der größten Herausforderungen ist das, ich nenne es immer liebevoll, Wettrüsten. Größere SPAs, mehr Zimmer, mehr Komfort, mehr Luxus, mehr, mehr, mehr. Das kann auch nicht immer die Lösung sein, weil man teilweise – wie kürzlich bei uns – ein Zimmer herausreißt, das an der Substanz keinerlei Mängel aufweist. Das ist ein Teufelskreis, sobald die Renovierung nach 20 Jahren abbezahlt ist, zwingt uns das Trend- und Modediktat zu neuen Investitionen.
Für mich gibt es darauf keine allgemein gültige Lösung – das muss jeder Betrieb für sich selbst entscheiden – für mich zählt der Nachhaltigkeitsfaktor. Denn das Bewusstsein für reduzierten Konsum wächst in der Bevölkerung und einhergehend das Verständnis, dass nicht jedes Zimmer den allerneuesten Trend widerspiegeln muss.
Auch das Thema Mitarbeiter:innen ist eine große Herausforderung, sowohl welche zu finden als auch diese zu halten. Die Menschen in der Gastronomie waren schon immer ein ziehendes Volk, insofern trifft es uns vielleicht weniger hart als Branchen, die bis jetzt weniger mit Fluktuation zu kämpfen hatten. Ich sehe in der Thematik nicht ganz so schwarz. Aber wenn Eltern und beeinflussende Personen, wie Lehrer:innen den Kindern davon abraten in die Gastronomie zu gehen, ist das bedenklich und unfair. Denn wir bezahlen für die Fehler, die die Branche in der Vergangenheit gemacht hat. Es gibt klare gesellschaftliche Denkmuster die das Studium als den idealen Karriereweg für junge Menschen beinhalten. Wenn schon Lehre, dann bitte nach der Matura! Für mich grenzt das schon fast an Zeitverschwendung, das Leben ist so kurz. Oft beobachte ich auch, dass sich Menschen mit ihrer Arbeit sehr früh langweilen, mit Vorgesetzten oder dem Team unzufrieden sind. Diese „Woanders ist es sicher besser“-Mentalität finde ich problematisch. Es ist noch nie ein Meister vom Himmel gefallen. Aus dem Sport oder bei Musikinstrumenten ist uns klar, dass wahre Virtuosität viel Zeit und Arbeit braucht. Das ist im Berufsleben genau das Gleiche. Ich würde mir wünschen, dass dieses Berufshopping wieder abnimmt.
Zu den Chancen in den nächsten 20 Jahren: Das ist schwierig zu sagen, es hat viel mit dem Mindset der einzelnen Personen zu tun. Positive Menschen haben ein positives Umfeld und ziehen positive Dinge an, Pessimisten negative. Insofern ist jede:r selbst dafür verantwortlich, wie er/sie die nächsten 20 Jahre gestaltet. Der Tourismus ist eine großartige Branche, in der man Menschen in der besten Zeit des Jahres, dem Urlaub, eine gute Zeit bereiten möchte. Menschen wollen gesehen werden – es geht nicht um perfektes Service, sondern um den Umgang mit den Menschen, sich Kleinigkeiten zu merken, Soft Skills und darum, Probleme charmant zu lösen. Ich denke, Elternhäuser sollten ihre Kinder mehr dazu ermutigen, ihren Talenten nachzugehen. Denn es gibt soziale und weltoffene junge Menschen, die einen wahrnehmen und nicht durch einen hindurchschauen oder nur in ihre Handys starren. Dem Gegenüber vermitteln, dass in dem Moment nichts Anderes wichtig ist – diese Wahrnehmung müssen wir alle uns viel mehr antrainieren. Das ist die Quintessenz mit der man Menschen abholen und Stammgäste und Freund:innen gewinnt kann.
- Eines der kostbarsten Güter unserer Gegenwart ist und wird in Zukunft weiterhin die Zeit sein. Obwohl wir über unzählige technische Hilfsmittel verfügen, die Zeit einsparen sollen, haben wir immer weniger davon. Zeit ist bei euch auch ein wichtiges Thema im ZeitRAUM. Was hat es mit dem Konzept auf sich und was für eine Rolle wird Zeit als touristisches Produkt in Zukunft spielen?
Stefan Eder: Beim ZeitRAUM geht es darum den richtigen Umgang mit dem Thema Zeit zu finden. Bei uns ist es zum Beispiel so, dass der Gast für Zeit und deren bewusste Wahrnehmung bezahlt und nicht für das Essen selbst. Bei uns gibt es am Anfang des Menüs ein „iBrett/Pad“– ein Holzbrett, wo diese klassische Ansicht vom Startbildschirm eines iPads mit Apps eingraviert ist – auf dem ein Gericht serviert wird, um bewusst zu machen, was für Zeitfresser technische Geräte sind. Danach führt unser Menü den Gast auf eine Zeitreise – jeder Gang hat ein Thema. Momentan starten wir zum Beispiel vor einer Million Jahren, bei der Domestizierung des Feuers und erzählen kulinarisch von Feuer und Rauch durch geräucherten Sellerie in Selleriesud, Saiblingsmatjes, Apfel und Krenn. Durch diese thematische Gangabfolge soll den Menschen bewusst gemacht werden, wie wertvoll die Zeit ist, die man gerade mit seinem Gegenüber verbringen kann. Aus touristischer Sicht kann ich beobachten, dass die Teuerungen dazu führen, dass die Urlaube immer kürzer werden – wir wollen eine Umgebung schaffen, in der man diese Zeit bewusster wahrnehmen kann. Wir haben viele Stammgäste, die mehrmals im Jahr nur für ein paar Tage kommen, weil sie die Umgebung kennen und sich sofort darauf einlassen können. Wenn man dann noch eine kurze Anreise hat, können diese wenigen Tage schon einen großen Erholungswert haben. Unsere Region ist keine klassische Tourismusregion sind, wo es viel zu erleben gibt – es kommt also auch kein Erkundungsstress auf, sondern die Menschen haben Zeit für sich selbst.
- Generell ändern sich die Wünsche und Bedürfnisse der Gäste laufend, Dennoch spüren wir, dass wir uns in Zeiten großer Umbrüche befinden. Wie werden wir unser touristisches Angebot in der Steiermark in den nächsten 10-20 Jahren anpassen müssen, um damit erfolgreich zu sein?
Eveline Wild: Wir in der Steiermark sind auf einem sehr guten Weg mit unserer Geselligkeit, Gemütlichkeit und unserer ehrlichen Art, nichtsdestotrotz sollten wir wachsam sein, nicht in einen Übertourismus zu geraten. Da könnten dann schnell jene Werte für, die wir stehen verloren gehen. Natürlich kann man immer mehr wollen – mehr Gäste, mehr Betten, mehr Nächtigungen, aber 20 Betten mehr nützen wenig, wenn man die Gäste nicht mehr glücklich machen kann. Darüber hinaus ist die Steiermark eine wahnsinnig tolle kulinarische Destination und langfristig wird sich Qualität immer behaupten.
- Wie sehr bestimmen zurzeit digitale Entwicklungen und Trends euer Angebot und wie sehr werden sie es in Zukunft bestimmen?
Eveline Wild: Dazu habe ich unterschiedliche Erfahrungswerte. Bei uns im Haus einmal eine digitale Gästemappe, in der die Highlights der Umgebung zu finden waren. Diese wurde sehr bald wieder abgestellt, weil sie gar nicht gut angenommen wurde. Die Menschen wollen, wenn sie im Urlaub sind – zumindest bei uns – weitgehendst analog sein. Die Gäste suchen den Kontakt zu uns, stellen uns fragen, bevor sie in ein eckiges Gerät schauen. Wo ich schon Potenzial sehe, ist bei den Dingen, die im Backoffice passieren – also alles, was mit Suchmaschinen, Facebook, Instagram, TikTok etc. zu tun hat. Da muss man dranbleiben und diese Plattformen nutzen. Gerade poppen sehr viele KI unterstützte Tools im Bereich Customer Relationship Management auf. Da versuchen wir nichts zu verschlafen – natürlich muss man an dieser Stelle erwähnen, dass diese Tools kostspielig und für ein kleines Haus wie dem unseren oft unbezahlbar sind. Was schon naheliegender ist, sind Trackingfunktionen, um UserInnen immer wieder unsere Inhalte zuzuspielen. Solche Funktionen sind besonders für das Stammgäste Management hilfreich– digitale Trends in diesem Segment nehmen wir auch sehr gerne an. Die Kosten, um neue Gäste anzuwerben sind um ein vielfaches höher.
- Wir leben in einer Zeit, in der die Digitalisierung immer mehr unseren Karriereweg, vor allem jenen jungen Menschen bestimmt. Nun ist die Tourismus- und Gastrobranche ein Bereich, der im Kern immer noch ein Handwerk ist. Wird es in Zukunft wieder eine Rückbesinnung auf das Handwerk geben, was sollte dafür getan werden?
Eveline Wild: Wie bereits erwähnt ist Gastronomie ein Handwerk und die Entscheidung in dieser Branche Fuß zu fassen, wird stark vom engeren Umfeld beeinflusst. Wird Arbeit als Last gesehen, geht man stets mit der Grundhaltung durchs Leben, dass die eigene Arbeit in erster Linie die Freizeit finanziert. Wenn Arbeit aber als Lebensbereicherung gesehen wird, die einem die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung gibt, braucht man sich über Work-Life Balance keine Gedanken machen. Man hat Freude, an dem was man tut, fühlt sich angekommen und in gewissen Situationen belastbarer. Und hier appelliere ich wieder an Familien und Lehrer:innen, den jungen Menschen zu vermitteln, dass eine Lehre keine Last sondern eine tolle Möglichkeit ist, seinen beruflichen Weg zu gestalten.
In Gesprächen mit jungen Menschen merke ich, dass viele von ihnen bereits konkrete Ideen von ihrer Zukunft haben, umso schöner ist es, wenn diese Vorstellungen auch vom familiären Umfeld mitgetragen werden.
- Was muss die Tourismusbranche tun, um in Zukunft junge Menschen wieder mehr für den schönsten Beruf der Welt und für eine Tourismusausbildung zu begeistern? Was sollte eurer Meinung nach eine Tourismusausbildung in Zukunft beinhalten, was ihr jetzt fehlt?Eveline Wild: Diese Frage ist besonders schwierig. Ich finde in Österreich werden gewisse Dinge oft überreguliert und jungen Menschen mit Migrationshintergrund, wird es nicht leicht gemacht hier Fuß zu fassen. Obwohl sie arbeitswillig sind, müssen sie eine Odysee durchmachen, um eine Ausbildung antreten zu dürfen und haben trotzdem die permanente Angst im Hinterkopf irgendwann abgeschoben zu werden – da kann ich nur den Kopf schütteln. Zum Thema Ausbildung: Kürzlich war ja die Diskussion um die vegetarische Köch:innenausbildung in aller Munde. Diese Dinge klingen in der Theorie immer gut, sind aber einfacher gesagt als getan, weil da ein Berufsschulbild erstellt und Klassen zusammengebracht werden müssen und so weiter. Ich denke Probleme sollten pragmatischer gelöst werden, sonst wird man immer in den eingefahrenen Strukturen bleiben. Hier ist auch die Politik gefragt. Natürlich könnte an die Kammern appellieren. Doch viele aktive Gastronom:innen sitzen dort nicht drinnen, weil sie mit ihrem eigenen Betrieb zu tun und wenig zeitliche Ressourcen für politisches Engagement haben. Also auch hier – weniger Meetings, Ergebnis- und Lösungsorientiertheit und der Wille etwas auszuprobieren – das würde ich gut finden.
Zum Thema Schulen: Für uns als Arbeitgeber:innen ist die Situation um die Sommerpraktikant:innen oft herausfordernd. Manche Saisonbetriebe leben vielleicht davon, aber für uns als Jahresbetrieb ist es schwierig, weil die jungen Leute, sobald sie eingelernt sind schon wieder weg sind. Wenn sich dann in Gesprächen über ihre Zukunft, noch herausstellt, dass die meisten in Richtung Management und Hotelführung gehen wollen, hinterfrage ich, wie sinnvoll dann ein Praktikum in der Küche ist. Alles in allem gibt es viel Handlungspotential. Ich denke, da braucht es Gespräche, wo sich Arbeitgeber:innen, Arbeitnehmer:innen, Schulen, der Gesetzgeber an einen Tisch setzen und ihre unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse zum Thema Ausbildung in der Gastronomie diskutieren.
- Was würdet ihr den jungen Menschen raten, wie sie ihre Karriereplanung angehen sollten und wie sie es schaffen, positiv in die Zukunft zu schauen und diese zu meistern?Eveline Wild: Das ist eine spannende Frage, bei der ich euch den Ball ein bisschen zurückspielen muss. Ich bin der Meinung, dass es sowas wie Karriereplanung nicht gibt. Man kann eine Vision haben, wie das Leben ausschauen soll. Meine Vision war es, die Welt zu verschönern und ich wäre genauso gut eine begnadete Floristin, Grafikerin oder Modedesignerin geworden, weil alle diese Dinge die Quintessenz beinhalten, etwas Schönes herzustellen. Die eigene Vision auf einen Satz herunterzubrechen, kann helfen mit allen Widrigkeiten, die im Laufe des Lebens auf einen zukommen, umgehen zu lernen, anstatt sich stur auf einen Karriereweg zu fokussieren. Das eine oder andere Ziel wird vielleicht nicht funktionieren, unerwartetes kann passieren, all das kann man in einem Karriereplan nicht einplanen.
In Österreich haben wir noch keine gute Kultur des Scheiterns entwickelt – das beginnt schon in der Schule, wo man benotet wird und Fehler etwas Schlechtes sind, obwohl Fehler das Potential haben, einem aufzuzeigen, wo man sich noch entwickeln muss.
Vielen Dank für das Interview!